Montag, 26. Dezember 2011

Als ich mal nach Frankfurt wollte

Schon morgens gegen zehn mache ich mich auf. Nur schnell noch ein paar Weihnachtskarten einwerfen und dann rüber nach Frankfurt. Noch ein paar Geschenke kaufen und dann meine beste Freundin im Café Hauptwache treffen, so wie jedes Jahr.

Es regnet einen sehr feinen Regen, der einem vortäuscht, man könnte gehen, ohne nass zu werden. Nicht mit mir. Schirm auf und die Luisenstraße runter in die Stadt. Die Luisenstraße ist am Bahnhof sehr schön und weiter unten sehr hässlich, birgt aber kulinarische Ziele, die den Weg lohnen. An der Nummer acht suche ich die Briefkästen. Erst in den Hof und ein Treppchen rauf. Es ist eines der schönsten umgebauten Industriegelände, in dem eine befreundete Agentur ihren Sitz hat. So würde ich auch gern einmal logieren. Man muss ja Träume haben. Aber Briefkästen hat's offenbar hier nicht. Wieder raus, auf die Straße. Als ich schon fast vorbei bin, entdecke ich doch noch einen Briefkasten. Hinein mit meinen Weihnachtsgrüßen und weiter. Ein Stückchen in die Geleitsstraße hinein. Dort sitzt mein Steuerberater. Auch hier muss ich in den Hinterhof. Aber, den Briefkasten kenne ich schon. Wieder zurück in die Luisenstraße. Ich komme nicht sehr weit, da lockt mich ein frischer, blumiger Duft. Unverkennbar Kappus, die Seifenfabrik. Links leuchtet der kleine Laden. Da war ich eigentlich noch nie drin. Das liegt daran, dass ich hier meist nur abends vorbeilaufe. Ein paar schöne Seifen...da wird mir bestimmt jemand einfallen, dem ich die schenken kann. Also hinein.

Drinnen duftet es nach allen Blüten des Sommers. Noch ein bisschen unschlüssig stehe ich vor Lavendel-Duschgel. Da entdecke ich wunderschöne Dosen, die über und über mit Rosen bedruckt sind. Ich öffne eine und wirklich - sie duften wie Rosenblüten. Da nehme ich gleich zwei und stelle mich an die Kasse. Bei einem anderen Kunden, der vor mir dran ist, beschwert sich die blonde Verkäuferin: Die mache mit mir hier, was se wolle. Einmal 'es Lehrmädsche, immer es Lehrmädsche...ich sach's ja. Ihre Bemerkung amüsiert mich, weil sie sehr nach Heimat klingt und weil das Lehrmädchen schon ziemlich in die Jahre gekommen ist. Gut gelaunt verstaue ich meine Rosendosen und verlasse den Seifenladen.

Weiter geht es, Richtung Frankfurter. Schon von weit leuchtet das gelbe Schild des Mekong. Mekong ist ein sehr gut sortierter Asia-Laden in Offenbach. Dort gehe ich immer rein, auch, wenn ich eigentlich gar nicht weiß, was ich will. Heraus komme ich immer mit einer ganzen Tüte voll. Es fasziniert mich, die ganzen fremden Dosen und Tütchen zu inspizieren. Irgendetwas völlig Unbekanntes wandert immer mit in meine Tüte. Heute sind es ein paar herzförmige grüne Blättchen, die ich neben dem Koriander entdeckt habe und ein Glas Mintsauce von Coleman. Von einer Bedienung aus dem White Elefant weiß ich, dass man sie mit Joghurt anmischt. Das wollte ich schon immer mal probieren.

Wieder zurück auf die Frankfurter. Dort beschließe ich bei Cuore frischen Kaffee zu kaufen. Das ist einfach lustiger, als bei Rewe an der Kasse zu stehen. Drinnen Gitarrenklänge, als hätte ich sie bestellt. Verschiedene Weihnachtslieder werden von zwei Männern am Fenster eingeübt. Sie reden hessisch und singen italienisch. Ich lasse mir von Franco den Kaffee malen. Er duftet wunderbar. Das führt dazu, dass ich nicht mehr so sehr weit komme. Genau bis zu Pedro nämlich. Das ist ein kleines Café auf der linken Seite stadteinwärts. Sehr liebevoll geführt. Es gibt tollen italienischen Caffè und Aida-Plätzchen aus Sizilien. Das ist ein köstliches Mandelgebäck. Fast wie überdimensionale Bethmännchen. So eins gönne ich mir heute, aus Pistazienmarzipan. Und eigentlich ist es Zeit für ein klitzekleines Mittagessen. Ein Tramezzino mit Parmaschinken und Pecorino. Das gönne ich mir auch. Schließlich ist Weihnachten. Ich sitze in dem wunderbar betörendem Kaffeeduft, bewundere die rotgoldene Weihnachtsdeko über der Theke und lasse mein Tramezzino auf der Zunge zergehen. Ein Himmel voller Kitsch. So muss es sein.



Weiter geht es nun in Richtung Herrnstraße. Hier muss ich auch ein paar Karten einwerfen. Zum letzten Mal in diesem Jahr betrete ich den schönen Mosaikfußboden im Bernardbau. Immer einen Besuch wert. Die Briefkästen sind leicht zu finden. Wieder auf der Herrnstraße wende ich mich nach links zu Astrid Merger. Eigentlich will ich ihr in der kleinen Boutique nur meine Karte übergeben, aber im Grunde  könnte ich hier auch für meine Nichten eine Kleinigkeit kaufen. Ist doch netter als einen Gutschein von H&M. Aber, was nur? Astrid schlägt mir einen schönen Schal vor. Das wäre wirklich was. Mir fällt ein, dass die eine der Nichten so auf pink und lila steht und just in diesem Augenblick entdecke ich ein paar kleine Stulpen, pink mit lila Pelzbesatz. Die müssen es werden, denke ich. Wir brauchen eine Weile, bis wir dazu ein Halstuch finden. Dann dasselbe Spiel nochmal mit kleinen weißen Stulpen. Inzwischen ist Frau Mergers Schwester hinzugekommen und sucht auch mit. Als wir alles haben, kommt eine kleine ältere Dame herein, die von den Schwestern begrüßt wird. Offenbar eine Stammkundin. Sie grüßt uns sehr freundlich, aber fast übergangslos bricht sie in Tränen aus und erzählt uns, dass sie gerade einen Fahrradunfall hatte. Das Fahrrad ist hin, aber ihr ist wenigstens nichts passiert. Wir bringen ihr einen Stuhl, trösten sie und mein Aufenthalt verlängert sich um ein halbes Stündchen.

Eigentlich wollte ich noch nach Frankfurt, sage ich irgendwann. Was wollen Sie denn da? fragt die ältere Dame fast entrüstet. Tja, naja, ich habe mich mit einer Freundin an der Hauptwache verabredet. Ach so. Irgendwie scheint sie beruhigt. Ich nehme meine ganzen Päckchen und Tüten und sage: Und jetzt habe ich hier das ganze Zeug hier dabei. Die ältere Dame lächelt und sagt, ist doch gut, dann sehen die da drüben mal, dass wir hier auch was haben. Wir lachen und ich verabschiede mich.