Dienstag, 31. Juli 2012

Einunddreißigster Juli Neunuhrneun

Ich versuche nichts zwischen meine Gedanken und meine zwanzig Zeilen kommen zu lassen. Das ist schwierig. Denn inzwischen habe ich eine Zeitung gekauft, mit der Kioskfrau gesprochen und den Briefkasten geleert. 


Im Park ließ ich mich heute gleich von den kleinen Entchen ablenken. Sie sind so unglaublich klein und flauschig. Sie wirkten so wasserfest - wie sie gerade vor mir in den Teich flüchteten. Der Reiher stand auch bei Ihnen, silbern und ernst, wie ein Relikt aus alten Märchen und Sagen. Er scheint hier zu wohnen. Im Winter habe ich ihn oft gesehen. Ich ging dann schnell weiter, um mein Pensum an Schritten zu absolvieren. 


Auf dem Rückweg, an meinem Lieblingsplatz, machte ich eine kleine Entdeckung. Auf der rechten Parkbank leuchtete ein Karton hohes C und zwei halb gefüllte Becher. Im Mülleimer daneben lag eine offensichtlich nicht mehr gebrauchte Jeans. Vielleicht hatten diese Dinge nichts miteinander zu tun. Vielleicht aber hatte hier auch ein nächtliches Rendezvous stattgefunden. Es scheint kein romantisches gewesen zu sein. Das könnte der Anfang einer Liebesgeschichte sein, einer bitterbösen. Mit Rotwein oder Champagner wäre das sicher ganz anders ausgegangen, als mit hohem C.




Montag, 30. Juli 2012

Dreißigster Juli Zehnuhrzehn


Draußen herrscht eine dampfige Hitze. Die Blätter glänzen wie im Urwald. Nach meiner Runde mit den Stöcken stand ich an meinem Lieblingsplatz mit Blick auf den Teich. Nahezu lautlos schwamm eine Entenmutter herbei. Hinter ihr mit zwei winzige Flauschküken. Sie sind so klein und vollkommen, dachte ich bei ihrem Anblick. Nachdem sie festgestellt hatten, dass von mir nichts zu erwarten war, drehten sie ab. Die Enttäuschung war auf beiden Seiten gleich. 

Während ich ein paar Übungen machte, raschelte es rechts im Baum. Ein rotes Eichhorn lugte hervor. Ich folgte seinen behänden Bewegungen mit den Augen zum Himmel. Über mir heulte ein Flugzeug und gleichzeitig musste ich an den Euro denken.

Auch, wenn der Euro zerbricht, werden die Flugzeuge weiter über diesen schönen alten Park fliegen. Die Eichhörner werden weiter durch die Bäume rascheln, die Enten werden flauschige Junge habe – und ich werde weiterschreiben. 



Fünfundzwanzigster Juli Punktneun


Ein paar Morgenseiten schreiben. Das empfiehlt Julia Cameron, um die Kreativität anzuzapfen. Vielleicht eine gute Sache.Vielleicht nicht drei Seiten, aber zwanzig Zeilen. Gefunden habe ich dieses Buch über das Schreiben in einem Bücherregal in Berlin Mitte. Bei Elizabeth, die einen Film über den Frankfurter Jazzmusiker Carlo Bohländer macht. Deshalb habe ich Elizabeth in Berlin besucht. 

Nun liegt das Buch von Frau Cameron bei mir auf dem Nachttisch. Das hätte es sich wohl nicht träumen lassen. Wann soll man also morgens schreiben? Vor dem Frühstück oder danach, vor dem Zeitung lesen? Am liebsten würde ich beim Laufen schreiben, draußen, im Park. Doch es gibt es noch kein Endgerät, was mobil genug dafür wäre. 

Im Park passieren immer irgendwelche Sachen. Heute lief ein kleines schwarzes Moorhuhn vor mir her. Es sah putzig aus, etwas ungelenk, den Hals beim Laufen nach vorne reckend. So ähnlich sehe ich vielleicht auch aus, kam es mir in den Sinn. Denn die Leute lächeln immer, wenn sie mich sehen. Ich wollte das Moorhuhn fotografieren, aber es lief immer mit seinem Kopf aus dem Bild. 




Sonntag, 15. Juli 2012

Ein Abend im alten Frankfurt

Neulich hatte ich endlich einmal Gelegenheit, die viel gepriesene Dachterrasse des Fleming's Deluxe in Frankfurt zu besuchen und dort einen anregenden Abend zu verbringen. Keine Ahnung, warum ich das bisher noch nicht geschafft hatte. Vielleicht ist das Hochfahren doch irgendwie eine Hemmschwelle. Aber in der letzten Woche hatte ich eine offizielle Einladung, zum ersten Club-Abend des Deutsch Asiatischen Wirtschaftskreises. 


Obwohl es sich beim Fleming's um eine Einrichtung neueren Datums handelt, war dieser Abend doch auch eine Besuch im alten Frankfurt. Damit meine ich das Frankfurt, wie ich es in den siebziger Jahren kennengelernt habe, geprägt von geradlinigen, schmucklosen Nachkriegsbauten und einem gewissen Grauschleier, der über allem lag. Und auch, wenn das vielleicht auf den ersten Blick nicht so besonders schön erscheint, liegt für mich darin auch ein ganz bestimmter Reiz. Wahrscheinlich kommt er daher,  dass Frankfurt die erste große Stadt war, in der ich mich als Teenager unbeobachtet bewegt habe. Und gerade die Gegend um den Eschenheimer Turm war so eine Ecke, wo ich öfters abends umhergestreift bin. Damals mit Kollegen und Kolleginnen aus der Degussa. Diese sehr geschäftige und immer etwas staubige Atmosphäre, erzeugt durch hohes Verkehrsaufkommen, marmorglatte kohlenmonoxidgegerbte Fassaden, dunkle Straßenschluchten und Leuchtreklamen von "Stiebel Eltron" und "Grundig" machten damals für mich Großstadt aus. In den blauorange gehaltenen U-Bahn-Höfen herrschte ein ganz bestimmter Geruch, den es nur in Frankfurt gab - vergleichbar mit dem Eigengeruch in der Pariser Metro, aber von ganz anderem Charakter. In Frankfurt roch es irgendwie metallisch scharf nach emsigem Treiben, während es in Paris eher nach muffigem Hotel, verbunden mit einer gewissen Sinnlichkeit, roch. 


Am Eschenheimer Turm stand damals der sogenannte Métrobus, in dem sich eine sehr nette Bar, mit roten Lämpchen in den Fenstern, befand und im Volksbildungsheim gab es oben das TAT-Café, mit seinem intellektuellen Bohème-Flair, das mir gefiel. Und heute zwanzig Jahre später? Mit dem Fleming's haben die Sanierer irgendwie einen Spagat zwischen den Zeiten geschafft, was in Frankfurt und vielleicht auch sonstwo selten ist. Die schönen Nachkriegsdetails im Haus, wie das aufpolierte silbern schimmernde Treppengeländer oder der Paternoster, mit dem ich gleich wie ein junges Mädchen einmal nach ganz oben durchgefahren bin, verleihen dem Haus einen besonderen Charme, den es ohne sie nicht besäße. Wäre das Fleming's am Eschenheimer Turm in einem Neubau untergebracht, wäre es ein x-beliebiges Hotel mit einer x-beliebigen Terrasse.  Aber so ist diese Terrasse ein Ort mit Atmosphäre - und nebenan lehnt freundlich der dicke Eschenheimer Turm und lässt einen über die immer wieder neuen architektonischen Herausforderungen dieser Stadt milde werden.