Lange habe ich hier nichts geschrieben. Während es also hier auf dem Blog recht still war, liefen die Zahnrädchen an anderer Stelle auf Hochtouren, nämlich in unserer Literaturgruppe Autoren unterwegs (Katharina Eismann, Johann Kneißl, Leo Pinkerton, Malgo Scholz, Gisela Wölbert und meine Wenigkeit). Ab Oktober, nach der letzten Lesung der Reihe "Literatur zur Werkzeit" im Hafengarten, gingen wir mit der Anthologie in Produktion. Ein Verleger war bereits gefunden (Offenbacher Editionen bei Berthold Druck). Nun hieß es also die 12 Lesungen, die wir über das Jahr an verschiedenen, eher unliterarischen Orten zur Mittagszeit in Offenbach veranstaltet hatten, zwischen zwei Buchdeckel zu bringen. Wir hatten beschlossen, die Lesungen mit den Texten, die dort zu hören waren, in chronologischer Reihenfolge im Buch zu veröffentlichen. Außerdem Fotos, die während der Lesungen entstanden waren, in Schwarzweiß.
Wir lasen nun also alle unsere Texte nochmals haargenau. Die Schlusskorrektur übernahmen Leo und Gisela, die über Lektoratserfahrung verfügen. Weiterhin trafen wir uns jeden Mittwoch Vormittag, besprachen Korrekturen, wählten Fotos aus, schrieben ein Vorwort, diskutierten über die Ausstattung des Buches - und besprachen alles mit unserem Verleger Stefan Gey. Am 3. Dezember war es dann soweit: Pünktlich zur geplanten Lesezeit um 12 Uhr im Restaurant Trattodino erblickte unser leuchtend orangerotes Buch "Literatur zur Werkzeit" das Licht der Welt. Und von dort aus trat es seine Reise an, in die Vorweihnachtszeit.
Gestern hatten wir die schöne Gelegenheit, es im Raum des Kunstvereins im Offenbacher KOMM einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen: 36 Zuhörer hatten sich in dem für den Kunstbazar derzeit besonders stimmungsvoll gestalteten Raum versammelt - inmitten von kunstvoll gearbeiteten Metallskulpturen, farbiger Teppichkunst und virtuosen Malereien - um unsere Lesung aus dem druckfrischen Buch mitzuerleben. Für die musikalische Begleitung unserer poetischen Miniaturen sorgte sehr einfühlsam der Gitarrist Pit Uferstein.
Für uns Autoren standen jeweils ein roter Sessel und ein Headset bereit. Den Anfang machte Malgo Scholz mit ein paar schmerzhaft bösen Zeilen über die Kunst. Ihre "gemobbte Seele" ist in unserer Gruppe schon sprichwörtlich geworden.
Leo Pinkterton las ihre Kurzgeschichte "Mörphis Gesetz", die sie eigens für eine unserer Lesungen geschrieben hatte. Die überraschende Wende der Geschichte besteht darin, dass sie trotz des Namens des Protagonisten doch noch gut ausgeht. Nach ihr schloss sich Gisela Wölbert an mit den beiden Gedichten "Regen News" und "Neue Aprikosen" an. In letzterem nimmt die Frankfurter Autorin unserer Gruppe mit wunderbar bissigem Witz unsere Konsumgesellschaft aufs Korn. Ich las danach meine Erzählung "Die Kinder von Smederevo", zu der eine Skizze bereits während einer Chorfahrt nach Serbien 2011 entstanden war. Durch die regelmäßigen Lesungen mit der Gruppe, musste ich endlich Nägel mit Köpfen machen - und die Geschichte von vorn bis hinten erzählen. Das bedeutet ja immer, dass man sich in eine Situation wirklich hineinbegibt - mit Haut und Haaren sozusagen.
Meine Geschichte geht von Smederevo nach Offenbach und dort blieb auch Katharina Eismann mit ihren quicklebendigen "Marktstationen in fünf Akten", worin Offenbacher einiges wieder erkennen können. Johann Kneißl machte den Abschluss mit einer herrlichen kleinen Persiflage auf unsere Weihnachtsfeiertagsrituale "Mal raus können" und der bissig-österreichischen Wirtschaftsbeobachtung "Wiener Neustadt - Café Stadler", wobei er einmal mehr unter Beweis stellte, dass alle Offenbacher Integrationsversuche die muttersprachliche Mundart nicht verwässern konnten. Alle Texte wurden von Pit Uferstein sehr treffend, kurzweilig und virtuos untermalt. Danach war Signierstunde und unsere orangen Büchlein kamen unters Volk. Die gute Nachricht: Es gibt noch welche. Im Buchladen am Markt http://www.buchladenammarkt.de, in der Steinmetzschen Buchhandlung http://www.steinmetz-buch.de, bei Thalia http://www.thalia.de/shop/home/thalia-filialen/showDetails/427/, an allen Leseorten oder bei uns (Preis 14,80 Euro, ISBN 978-3-939537-35-9). Wir danken dem Kunstverein Offenbach und Ulrike Djellouli-Della für die wundervolle Plattform http://www.kunstverein-offenbach.de.Vielen Dank für das schöne Foto an Sven Eismann.
Alle Texte wurden von Pit Uferstein sehr treffend, kurzweilig und virtuos untermalt. Danach war Signierstunde und unsere orangen Büchlein kamen unters Volk. Die gute Nachricht: Es gibt noch welche. Im Buchladen am Markt http://www.buchladenammarkt.de, in der Steinmetzschen Buchhandlung http://www.steinmetz-buch.de, bei Thalia http://www.thalia.de/shop/home/thalia-filialen/showDetails/427/, an allen Leseorten oder bei uns (Preis 14,80 Euro, ISBN 978-3-939537-35-9). Wir danken dem Kunstverein Offenbach und Ulrike Djellouli-Della für die wundervolle Plattform http://www.kunstverein-offenbach.de.Vielen Dank für die schönen Fotos an Sven Eismann und Leo Pinkerton.
Bevor die Zeit noch weiter voraneilt und dann schon wieder Weihnachten ist, wollte ich doch noch ein paar Entdeckungen auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse mitteilen. Sehr gerne habe ich mich wieder in Halle 4 aufgehalten, wo sich zu einem großen Teil die unabhängigen kleineren Verlage tummeln und teils mit dem Medium Buch oder Schrift sehr einfallsreich zu Werke gehen. Hier werden auch neue Formate erdacht, die sich vom "herkömmlichen" Buch oder von "üblichen" Themenkreisen wegbewegen.
Gut gefallen hat mir beispielsweise der Partnerstand vom Hamburger Literaturquickie Verlag http://www.literatur-quickie.de und Michason & May aus Frankfurt http://www.michason.de. Der erste bringt Kurzgeschichten im liebevoll gestalteten Pixie-Buch für Erwachsene heraus. Die praktischen Büchlein passen in jede Handtasche oder unter jedes Kopfkissen und man hat immer was Gescheites zu lesen zur Hand, denn für den Verlag schreiben durchaus namhafte Autoren wie Julie Zeh, Safiye Can oder Katrin Seddig. Wie ich gehört habe, arbeitet der Verlag auch mit Hotels zusammen, die die Büchlein für ihre Übernachtungsgäste auslegen. Sowas wünsche ich mir wirklich weit mehr, als die Bibel in der Nachttischschublade.
Michason & May betreibt einen Verlag mit Store in Frankfurt Bockenheim. Das gefällt mir auch sehr gut: Dort gibt's quasi Bücher zum Anfassen in unserer unfassbaren Zeit. Ein Bändchen aus der Reihe "City Walking" habe ich sogleich mitgenommen. Mal eine andere Form der Reiseliteratur, die vielleicht nicht neu, aber doch etwas in Vergessenheit geraten ist, seit den 20er Jahren: Aus Erzählungen und Kurzgeschichten formt sich sehr lebendig das Bild einer Stadt, wie zum Beispiel Frankfurt oder Paris. Viel inspirierender als die hundertste Auflage von Sehenswürdigkeiten und Restaurantipps - und ich sehe schon, bald muss ich mal wieder nach Bockenheim.
Sehr hübsch fand ich auch die "typographischen Erinnerungsschatullen" vom August Dreesbach Verlag aus München.
http://www.augustdreesbachverlag.de/home.html
In einer Blechdose finden sich Karten mit originellen Fotos von typografischen Eindrücken einer Stadt, wie beispielsweise Wien sowie Bleistift und Radiergummi. Die Minikarten kann man beschriften und verschicken oder sammeln, um sich zu erinnern.
Und dann wollte ich noch ein großes Kompliment aussprechen an alle unabhängigen Verlage, die sich an noch weniger bekannte Autoren und Debüts trauen und auf ihrem Buchmessestand ein angenehmes und gar nicht unnahbares Ambiente pflegen, wie beispielsweise der Frankfurter Größenwahn-Verlag http://groessenwahn-verlag.de, bei dem ich sehr interessante und angenehme Gespräche geführt habe.
Eine hübscher kleiner Beutezug war das, bei dem ich natürlich auch wieder eine schöne CD von Trikont erworben habe, die sich so rührend immer wieder alter Aufnahmen annehmen und die Titel dem Vergessen entreißen. http://trikont.de/category/uber-uns/
Am letzten Sonntag nahm ich die Gelegenheit war, Silke Scheuermann live zu hören - beim Lesen ihrer gerade erschienen Gedichte "Skizze vom Gras" https://www.schoeffling.de/buecher/neu. Zuerst einmal soll ehrlich gesagt werden, dass Silke Scheuermann in Offenbach lebt und nicht wie im Klappentext des neuen Bändchens geschrieben "bei Frankfurt". Ja, es gibt lebende Autoren in Offenbach, denn diese Stadt bietet Raum und ziemlich viel Anregung, gerade weil hier nicht alles so glattgebügelt ist. Die kleine Matinee bei der Buchhandlung am Markt war ein Novum, das gut funktionierte und ein trefflich leuchtender Anfang für diesen sonnigen Herbstsonntag. Ein kleiner Plan entstand, selbst so eine Matinee zu gestalten, mit der Gruppe "Autoren unterwegs" im Januar 2015. http://www.buchladenammarkt.de
Silke Scheuermann konnte diesen etwas anderen Sonntag morgen auch genießen und sagte, dass sie früher die Sonntage als sehr ritualisiert und belastend empfand. Ich auch. Da wurde morgens gleich nach dem Frühstück der Rinderbraten angebraten, die von mir gehassten Knödel geformt...ich ging in die Badewanne und kam erst nach dem Essen wieder raus.
Aber nun zu den Gedichten: Ich mag Gedichte und zum Glück bin ich in der Schule nicht allzu lang mit Schillers Glocke oder Goethes Erlkönig gequält worden - jedenfalls musste ich keine Gedichte auswendig lernen. Die Gedichte von Silke Scheuermann sind meist Prosagedichte und eher kleine Geschichten oder Alltagsbeobachtungen, die in einer sehr konzentrierten Form daherkommen. Sie sagte dazu, dass sich die Themen oft ihre eigene Form suchen. Besonders schön, war es, ihre Stimme zu hören, die die eigenen Worte genau richtig in Szene setzt - und ihre Augen zu sehen, die manchmal erwartungsvoll bis schelmisch über den Buchrand ins Publikum blicken.
Sie beschäftigt sich in dem grasgrünen Bändchen mit der Zeit, der Zeit, die an und Lebewesen nicht spurlos vorübergeht und schon manche Spezies hat aussterben lassen, so wie den Dodo oder den Säbelzahntiger. Aber auch sich selbst beschreibt sie als "Letzte meiner Art" - und bereits der erste Vers dieses Gedichts trifft wie ein Dolch ins Herz:
"Es tut mir nicht mehr gut.
Die Gewalt hat mich verändert.
Mein Körper ist kalt geworden wie der Zahn einer Löwin;
mein Geist geht meine Möglichkeiten durch.
Wenn du mich anfasst, werde ich mich wehren,
noch bevor du mir Lust machen kannst. (...)"
Solche Zeilen können nicht kalt lassen und das schöne an Lyrik ist, dass sie immer mal so in die Mittagspause oder in die kurze Spanne vor dem Einschlafen passt. Für die etwas längeren Zeitspannen, einen regnerischen Sonntag, lagen da auf dem Büchertisch bei B.A.M. noch andere verlockende Bändchen, zum Beispiel die "Pfaueninsel" von Thomas Hettche - schon allein durch ihren wunderschönen hellgrauen Leineneinband anschaffenswert.http://hettche.de Die Geschichte führt in eine längst vergangene (preußische) Welt der Königin "Luise" und offenbart in dem hübschen Bändchen eine Welt, die nicht von Disziplin, sondern von Inzest und Begierde geprägt ist. "Pfaueninsel" ist nun sogar im Kopf-an-Kopf-Rennen für den Deutschen Buchpreis und ich würde Thomas Hettche den Preis wünschen.
Ebenfalls weniger beschaulich als der Titel vermuten lassen könnte, kommt auch der Anfang des Romans "Isabel" von Feridun Zaimoglu daher. Da geht es temperamentvoll um das Ende einer Liebe und den Akt des Verlassens. Aber auch dieser Roman spielt in Berlin - und das scheint in diesem Jahr der Lieblingsort der deutschen Autoren. Na ja, die waren halt noch nicht in Offenbach, denke ich mit einem Augenzwinkern, denn Berlin ist natürlich eine richtige aufwühlende Metropole und Offenbach nur ein bisschen Kiez zum Anfassen - hat aber auch seine Geschichten und eine schien sich gerade gegenüber im etwas zwielichtigen "San Carlo" abzuspielen.
Ein Roman, der seit kurzem wieder aufgelegt ist (auch bei Schöffling) und der nicht nur für Wiesbaden, sondern auch für Offenbach eine besondere Bedeutung haben sollte, ist "Theodor Chindler" von Bernard Brentano. Der Autor, der vor dem Zweiten Weltkrieg für die Frankfurter Zeitung in Berlin arbeitete und mit Joseph Roth eng befreundet war, wurde in der Offenbacher Geleitsstraße 109 geboren. Die schöne Neorenaissance-Villa steht heute noch. http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/wiesbaden-liest-theodor-chindler-eine-familie-im-krieg-13105168.html
Zwei gute Gründe also, dieses Buch endlich mal zu lesen.
Am letzten Dienstag war ich mal wieder in Peters' Bakery, in der Offenbacher Friedrichstraße zu Gast. Das ist immer ein Erlebnis und einfach schön, dass die alte Backstube mit ihrem hübschen Pfeffer und Salz-Boden seit über 100 Jahren genutzt wird. Inzwischen ist sie ein kleiner Kunstraum geworden und derzeit laufen dort wieder kunsthistorische Vorträge von Ulrike Kuschel (Künstlerpaare II). Das sind ganz besonders erhellende und angenehme Abende, die nicht nur mit interessanten Informationen und Betrachtungen über künstlerische Beziehungen erfreuen, sondern auch mit passenden Leckereien, die eine schöne Atmosphäre stiften. So gab es diesmal Tee aus dem Sarmowar, "Cigarettes Russes"-Kekse und Pumpernickel mit Lachskaviar,kredenzt von der Hausherrin Doris Peters.
Als erstes Künstlerpaar standen Natalia Gontscharowa und Michail Lorianow auf dem abendlichen "Lehrplan". Die Kunsthistorikerin Ulrike Kuschel stellte das russische Avantgarde-Künstlerplaar anhand beider Biografien und Werke vor und zeigte anschaulich, wo sich beide gegenseitig inspirierten und unterschieden. Ihre Verbindung war im Unterschied zu anderen nicht von Konkurrenz, sondern eher von gegenseitiger Anregung und Arbeit geprägt. Beide Künstler arbeiteten viel mit Elementen der russischen Volkskunst und werden meist dem russischen "Neoprimitivismus" zugerechnet - allerdings befassten sie sich mit verschiedensten Strömungen, wie dem Impressionismus oder Kubismus, sodass ihre Werke und besonders die der Gontscharowa, stilistisch überhaupt nicht eindeutig in eine Epoche einzuordnen sind. Später entwickelten sie sogar einen eigenen abstrakten Stil - den "Rayonismus".
Als Folge der politischen Veränderungen durch den Ersten Weltkrieg in Russland, gingen die beiden 1918 nach Paris und zogen in die Rue de Seine, Ecke Rue Jacques Callot, wo sie bis zu ihrem Lebensende lebten. In Paris arbeiteten sie unter anderem auch viel für das Theater. So schufen sie sehr fantasievolle Kostüme und Bühnenbilder für das Ballet Russe. Natalia Gontscharowa ist spätestens seit 2007 eine feste Größe der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts, als nämlich im Londoner Auktionshaus Christie's eines ihrer Gemälde mit einem Rekordpreis von fast zehn Millionen Dollar versteigert wurde. Michael Larianow dagegen ist den meisten heute hauptsächlich durch seine Frau bekannt - eine Seltenheit, besonders in der Malerei.
Wenn ich im nächsten Monat in Paris bin, werde ich ein bisschen auf den Spuren der beiden wandeln. Und bis dahin gibt es noch weitere interessante Künstlerpaare in Offenbach zu entdecken, wie Sonja und Robert Delaunay, Frida Kahlo und Diego Rivera oder Anna und Bernhard Blume.
Der Morgen fing blau an, hielt sich dann aber nicht an die Wettervorhersage. Der 3. September wurde kein schöner Sommertag und mir war ein wenig bange, ob unseres Lesetermins (Autoren unterwegs in Offenbach) im Offenbacher Hafengarten. Pünktlich um elf fanden sich die Autoren unter grauem Himmel bei Wind vor dem Waggon ein. Johann Kneissl, der dort eine sehr schöne Parzelle betreibt, hatte mit dem Hafengartenteam liebevoll kleine Tischgruppen arrangiert. Alles umsonst. Den Autorinnen war kalt, die Stimmen wurden vom Wind davongetragen und wir entschlossen uns schließlich, die Lesung im Waggon stattfinden zu lassen. Eine gute Entscheidung. Denn drinnen ist es dank der schönen, hellen Holztäfelung sehr gemütlich und auch etwas eng - das hat den Vorteil, dass keiner weg kann, wenn alle mal sitzen.
Wir stellten alle Stühle in den Waggon, gegenüber dem kleinen Tresen auf, an dem wir uns positionierten. Ich wählte den Barhocker. Pit Uferstein, unser begleitender Musiker, die Sofalehne. Johann Kneissl, Katharina Eismann, Gisela Wölber und Leo Pinkerton beschlossen im Stehen neben der Theke zu lesen.
Trotz des wenig einladenden Wetters fanden gegen 11:45 willige Zuhörer den Weg über Schotter durch herbstliches Buntgemüse. Auch sie freuten sich über die schützenden Wände des Waggons, ließen sich von Isa, die dem Hafengartenteam angehört, Tee oder Cappuccino reichen und suchten sich ein Plätzchen. Kurz nach zwölf waren alle Stühle außer einem besetzt und ich staunte, wie viele Menschen in so einen alten Waggon passen.
Gisela begann mit einem Text aus ihrer Serie "Verlorene Orte", die alte Frankfurter Großmarkthalle, wo demnächst Bänker ein- und ausgehen werden, zum Leben zu erwecken. Sie nahm die Zuhörer bei Morgengrauen mit in die "Gemieskersch", in eine Welt voll sinnlicher Eindrücke, die verschwunden ist, durch Büros ersetzt. Das neue EZB-Hochhaus mit seiner weithin glänzenden Fassade inspirierte auch Katharina Eismann zu ihrem Gedicht "Gemüsegebet": "...in seiner verglasten Weste steckt die Hafensilhouette". Johann Kneissl beschrieb poetisch die Atmosphäre im Hafengarten: "...Menschenvölker aller Schichten und Altersklassen schlendern mit gefüllten Gießkannen über Gartenkontinente...ohne Ausweiskontrolle..." Die Zuhörer folgten uns mit aufmerksamen Ohren und entrückten in der abgeschlossenen kleinen Welt des Waggons ein wenig ihrer eigenen. Kurz musste wegen Luftmangels das Fenster geöffnet werden. Nach einfühlsam dazwischen geworfenen Gitarrenklängen von Pit Uferstein nahm uns Leo Pinkterton mit in eine fantastische Geschichte und einen Paternoster, in dem ein gewisser Frederick Piperbach unsichtbar wird. Danach ging's mit Katharinas bunten Bildern aus Worten ins Markttreiben und dann über die Groß-Hasenbach-Straße nach Ürgüp in eine kleine Liebesfatamorgana, die Pit trefflich mit einem orientalischen Tango untermalte. Am liebsten wäre ich, und ich glaube auch die meisten Zuhörer, den ganzen Nachmittag im Waggon geblieben - aber draußen gab's schließlich noch Sachertorte von Johann und Kipfel von Katharina, wo man vergnügt zusammenstand und den kühlen Wind auf einmal als wohltuend empfand.
Eine schöne verlesene Mittagspause und wir freuen uns schon auf die nächste, am 1. Oktober im Genussverstärker am Goetheplatz. Texte über die Langsamkeit und das Genießen wurden heute schon gebündelt.
Zum zweiten Mal bin ich in der kleinen madrilenischen Bar Informal in Offenbacher Salzgässchen. Es ist schwül und ich bestelle einen Café con Hielo. "Wirklich?", fragt der schwarzäugige Wirt. "Mit Eiswürfeln?" "Ja", antworte ich knapp, aber bestimmt. "Sie sind die erste, die hier einen Café con Hielo bestellt", sagt er und lächelt anerkennend. Er stellt mir ein typisch spanisches Caféglas mit Eiswürfeln darin hin, dazu Zucker und Löffel. Wenig später gießt er den frisch gebrauten Schwarzen aus einer weißen Tasse erbarmungslos über die Eiswürfel, die sofort weg sind. Ich gebe Zucker dazu, rühre um - eine köstliche Erfrischung bei diesem tropischen Wetter.
Während ich das schreibe, verlangt eine Blonde nach dem Toilettenschlüssel. Die Stimme kenne ich doch. Einer Bürgelerin gehört sie, die ich vom Kunstverein her kenne. Sie erzählt mir, dass sie ein Grundstück sucht, auf das sie einen Zirkuswagen stellen darf. Dort möchte sie fortan mit ihrem Lebensgefährten wohnen. Ich frage sie, wo man denn einen Zirkuswagen herbekommt. Aus dem Internet, sagt sie. Natürlich, hätte ich mir ja denken können. Dort gibt es ja nichts, was es nicht gibt. Jedenfalls amüsiert mich diese Idee für einen ungewöhnlichen Alterswohnsitz.
Die Blonde verabschiedet sich und eilt nach draußen, wo der Lebensgefährte wartet. Mein Blick folgt ihnen ein Stück. Am Tisch stehen die Männer und rauchen, dazu trinken sie Bier der Kultmarke "Mahou" http://www.mahou-sanmiguel.com/en-GB/our-brands/to-share.html. Die Wirtin trägt wohl gefüllte Tellerchen mit herzhaften spanischen Gerichten heraus oder kleine Brotchen mit Lomo Iberico. Ich ärgere mich, dass ich vorhin zu Hause schon ein Brötchen gegessen habe. Draußen gehen die Bierchen weg wie Limo - keiner schert sich um Alkohol oder gar um Gluten. Neben den Fläschchen welkt ein Schnittblumenstrauß für die Gattin zuhause langsam dahin. Das Informal scheint ein wunderbarer Ort, um einen Samstag Vormittag zu verplempern - oder vielleicht noch mehr - geöffnet ist bis 19.00 Uhr.
Vor kurzem stellte ich beruflicherweise sommerliche Tipps für einen Kurztrip nach München zusammen und verbrachte auch selbst ein paar Tage in der Bayerischen Landeshauptstadt. Das Hotel war gut und zentral gelegen, die Biergärten waren schön - aber über allem brütete eine tropische Hitze. Ein Zimmernachbar verschaffte sich des Nachts in der Dusche mehrfach Abkühlung. Was also sollte man tagsüber tun, um keinen Sonnenstich zu kriegen und den Kreislauf zu schonen?
Der Morgen begann ultramarinblau - was also gibt es besseres als einem solchen Tag den "Blauen Reiter" zu widmen, dachte ich und fuhr zum Lenbachhaus. Nach kurzem bewundernden Blick auf den "neuen Bau", einer gelungenen Verbindung aus Alt und Neu, betrat ich die heiligen Hallen. http://www.lenbachhaus.de
Es empfingen mich angenehm temperierte Räume, mit Gemälden, die Kunstgeschichte geschrieben haben. Die Bilder von Kandinsky, Franz Marc, Gabriele Münter und August Macke bringen in ihrer Farbenpracht noch heute die Seele zum Leuchten. Besonders gefiel mir an diesem Vormittag eine orientalische Impression von August Macke "Türkisches Café", das vor genau 100 Jahren entstanden ist. Darauf wird ein sehr typischer Eindruck in ein paar wenigen kräftigen Farben und klaren Formen hergestellt. Und irgendwie dachte ich beim Anblick darüber nach, warum Hitze im Orient soviel besser zu ertragen ist als in München. Vielleicht deshalb, weil man einfach still bei einem Tee in einem kühlen Hof sitzen darf...und diesen kühlen Hof fand ich am Nachmittag des gleichen Tages auch noch - aber davon später.
Die Hitze zwingt jedenfalls zu einer gewissen Gelassenheit - man geht langsamer, verweilt oder setzt sich gar. So saß ich wenig später vor einem faszinierenden Purpurrot von Rupprecht Geiger - ein Meer vielleicht vor Sonnenuntergang - jedenfalls ein Rotton, in den man sich minutenlang versenken kann und der viel mehr ist als nur ein Rot.
Nach meinem langsamen Gang saß ich mit einem Buch über das Lenbachhaus und den "Blauen Reiter" im Museumscafé "Ella" und schmökerte im luftigleichten Ambiente, gestaltet von Norman Foster bei einem wunderbar starken Cappucino mit mikrofeinem Schaum in meinen erbeuteten Büchern. http://ella-lenbachhaus.com/ueber-uns/das-restaurant/ Hier muss vielleicht einmal erwähnt werden, dass Museumscafés sich in den letzten Jahren sehr gemausert haben und zu wahren Oasen geworden sind, die auch allein einen Besuch lohnen - das war mir schon zuletzt in Wien und Berlin aufgefallen. Es gibt dort meist feinsten Kaffeegenuss von einem erfahrenen Barrista zubereitet und erlesenste Backwaren, denen man kaum widerstehen kann.
Eine Darstellung der "Salomé" von Franz von Stuck, diese wohl für Männer und Frauen gleichermaßen faszinierende Darstellung des Weiblichen lockte mich zur Villa Stuck. Na gut, ich gebe es zu, es war auch das Museumsticket des Lenbachhauses, das einen verbilligten Besuch anpries. Mit dem praktischen Museumsbus der Linie 100, der alle Kunsthäuser miteinander verbindet, war ich schnell an Ort und Stelle, gegenüber dem Friedensengel.
http://www.villastuck.de
Die Villa selbst ist ein hinreißender Mikrokosmos eines Künstlerhauses zwischen Tag und Traum oder Okzident und Orient - und eigentlich sehr weiblich gestaltet - jedenfalls erlauben sich wenige Männer solch prächtigen Firlefanz: Die Wände verkleidet mit byzantinischen Mosaiken in Blau und Blau und Blau und Gold, an der Decke Sternbilder und Tierkreiszeichen, die Böden aus kunstvoll mehrfarbigem Parkett und als Möbel verschnörkelte Sessel und Ottomanen - natürlich mit Goldbrokat bezogen oder sowas. Ich fühlte mich sehr angenehm angeregt in dieser Umgebung und erst recht in dem kleinen kühlen und lauschigen Künstlergarten hinter der Villa, wo sich der Außenbereich des Cafés befindet. Unnötig zu sagen, dass ich dort einem selbst gebackenen Aprikosenkuchen, einer Kreation aus feinstem, buttrigen Mürbeteig und vollreifen Aprikosen verfiel - ob Salomé dran Schuld war oder die skandalumwitterte Eva aus dem ersten Stock - wer weiß das schon.
An einem schönen Mai-Sonntag wanderte ich am Main entlang von Offenbach nach Frankfurt. Durch die neue Brücke und die wachsende EZB sind am anderen Ufer ein paar coole Raststationen in nächster Nähe entstanden. Im Nachklang der "Nacht der Museen" ist so eine Raststation nun unter der Honsellbrücke zu finden, wo Mirek Macke die rohen Hallen nach zweijährigem Exil bezogen hat. Die schöne Bogenkonstruktion und der Rohbeton bieten sich geradezu für eine coole Nutzung der Räume für nicht so brave Kunstwerke an. Links von den Panthern aus schwarzem Basalt geht's hinein in die Unterwelt der Honsellbrücke.
Schon im Kaffeebereich kann man sehen, was man mit wenig Geld alles Schönes machen kann. Viele Cafés bemühen sich mit teuren Neobarock- und Landhausmöbeln um ein abwechslungsreiches wie stylisches Ambiente. Mirek Macke erreicht mit geschenkten Stühlen und Tischen aller Epochen nahezu den gleichen Effekt - nur, dass es unter der Brücke irgendwie cooler ist. Wohltuend ist auch das Preisgefüge, dass sich künstlerfreundlich von den anderen Ufer-Lokalitäten unterscheidet. Es gibt Kaffee oder Saft und selbstgebackenen Kuchen von helfenden Händen zu humanen Preisen an der Theke abzuholen und keiner nervt zwischendurch mit der eindringlichen Frage ob's noch ebbes sein derf.
Sein W-LAN muss man wahrscheinlich selbst mitbringen, aber dennoch ist das Kaffeehaus unter der Brücke mit der angeschlossenen Kunsthalle nebenan ein sehr inspirierender Ort, den man im Sommer nutzen sollte, denn wie es dort im Winter auszuhalten ist, weiß Mirek noch nicht. "Das wird man sehen. Alles ergibt sich irgendwie", sagt er und man vertraut seinen blauen Augen. So kamen auch die Klohschüsseln und so kommt wahrscheinlich demnächst ein Klavier irgendwoher, denn klassische Konzerte sind neben DJ-Abenden auch im Programm. https://www.facebook.com/montezffm?fref=ts Das Kunstkaffeehaus unter der Brücke ist jedenfalls ein Ort mit einer kreativen Seele, wie er Frankfurt bisher fehlte. Solche Locations in alten Industrievierteln gab es bisher in Berlin oder Leipzig. Jetzt muss ich deswegen nicht mehr unbedingt verreisen oder höchstens mit dem Fahrrad.
Es lockten mich letzte Woche neben der Pressearbeit für einen Film nun zwei Ausstellungen nach Berlin: Eva Moll, Uta Brauser und Jim Avignon in der Villa Köppe in Berlin-Grunewald und Dorothy Iannone in der Berlinischen Galerie. Das Wetter war auch eher für Galerie- und Meseumsbesuche angetan. So fuhr ich am Donnerstag, um rechtzeitig zur Vernissage von Eva Moll, die kurz zuvor ihr Offenbacher Atelier in der Mato-Fabrik verlassen musste und nun in der Hauptstadt ihr neues Domizil aufgeschlagen hat. In Berlin war ich schon oft, in Berlin-Grunewald noch nie. Ein sehr hübscher Stadtteil mit sehr hübschen Häusern von hübsch betuchten Anwohnern. Aber auf jeden Fall einen Ausflug wert, auch am Tag. Allein des kleinen Bahnhofs wegen aus dem vorletzten Jahrhundert. Die Villa Köppe schließlich ist ein sehr schöner Ausstellungsort: Hohe, weiße Wände mit Stuck und ein prachtvolles Treppenhaus mit Spiegeln und Leuchter eignen sich vielleicht sogar besonders für junge, mutige Kunst. http://www.villa-koeppe.de Die Bilder hängen noch bis zum 6. Juni - das ganze Ensemble ist unbedingt sehenswert.
Nach einer sehr erhellenden Einführung war die Ausstellung eröffnet und bot abwechslungsreiche Figurinen der Gegenwart: Eva Molls Eve-Bildnisse inmitten der bunten Großstadt New York oder ihr hinduistisch anmutendes zeitgemäß verpixeltes Eve-Antlitz, neben den eher rauen und kämpferischen Großstadtheldinnen der New Yorker Künstlerin Uta Brauser und den Comic-artigen Allegorien auf das digitale Zeitalter von Jim Avignon. Unterschiedliche Aspekte unserer Gegenwart wie veränderte Rollenbilder, mächtige, aber isolierte Frauen, flüchtige Kriegsheldinnen, die virtuellen Welten entstiegen scheinen oder die naiv-grotesken Figuren des Avignon'schen Mikrokosmos vermischten sich zu einem inspirierenden Ensemble unserer Zeit. Im anschließenden Konzert Avignons kamen auch aktuelle Themen wie der tägliche Überlebenskampf freischaffender Künstler zur Sprache. Die Performance von Eva Moll, in der sie eine gipsweiße Venus mit Lippenstiftfarbe rotküsst, spiegelte für mich die Intimität, die in jedem Kunstwerk steckt und die Verwundbarkeit eines jeden Künstlers, wenn er mit seinem Werk in die Öffentlichkeit geht. Allen drei Künstlern werde ich sicher noch häufiger hinterher reisen.
Dann am Samstag Dorothy Iannone in der Berlinischen Galerie. Ich war auf die Künstlerin während meines Studiums durch meine Beschäftigung mit Henry Miller gestoßen und wurde bei einem Besuch eines kunsthistorischen Seminars von Ulrike Kuschel in Offenbach wieder auf sie aufmerksam. Der Magie ihrer bunten von Ornamenten und Figuren bevölkerten Bilder, die ähnlich opulent daherkommen wie die hinduistischen bunt bemalten Tempel im Süden Indiens kann man sich kaum entziehen. Sie wirken wie kunstvoll gewebte Teppiche voller Geschichten, auf denen man immer wieder neue Details entdecken kann und irgendwo oben rechts, gut sichtbar, erscheint das gemalte Ego der Malerin selbst, in einem großen geschwungenen Korbstuhl, wie er typisch war für die siebziger Jahre.
Oft sieht man auch Liebesszenen, die Dorothy mit ihrem Wahl-Weggefährten Dieter Roth zeigen. Dabei sind die Geschlechtsorgane prominent und immer nahezu gleichartig dargestellt. Und trotz der Betonung von Eros und Sexualität wirken sie durch die Art der Darstellung niemals obszön, sondern eher spielerisch, humorvoll und vergnügt. Am meisten hat mich ihre Iceland-Saga beeindruckt. Sie erzählt hier, wie in einer Art Bildergeschichte eine Episode aus ihrem Leben, nämlich, wie sie, noch verheiratet, mit mit ihrem Mann nach Reykjavik reist, wo sie den Künstler Dieter Roth kennenlernt und sich ihm augenblicklich zuwendet, um dann sieben Jahre mit ihm zu leben. Hier werden die dargestellten Szenen in schwarzweiß mit kurzen sehr prägnanten Texten angereichert, die diese dramatische Lebensphase ungemein treffend wiedergegeben. Selten habe ich eine Liebesgeschichte gelesen, die mit wenigen Worten die ganze Dramatik solcher Begebenheiten transportiert. Ich hätte so gern den vollständigen Text für mich und frage mich, ob es eine Buch-Veröffentlichung davon gibt.
Wie passen nun diese beiden eindrücklichen Kunsterlebnisse zusammen? Ich fand Gemeinsamkeiten besonders in den Themen und in der Darstellung zwischen Eva Moll und Dorothy Iannone. Beide Künstlerinnen verwenden ein Farbspektrum aus klaren Farben und entwickeln Comic-hafte Erzählgemälde, in denen Frauenfiguren oder die Frau eine Hauptrolle spielt. Die Retrospektive über Dorothy Iannone ist noch bis zum 2. Juni 2014 in der Berlinischen Galerie zu sehen. Sehr inspirierend! http://www.berlinischegalerie.de
Ein Sonntag, an dem es warm ist und leicht nieselt, bietet genau die richtigen Voraussetzungen für einen Ausflug in den Chinesischen Garten.
Schon wenige Schritte hinter dem Eingang in der Berger Straße fühlt man sich in eine komplett andere Welt versetzt. Prachtvolle Farne und Azaleen in allen Regenbogenfarben säumen den Weg (jedenfalls im April) - und bei etwas Feuchtigkeit herrscht eine nahezu tropische Atmosphäre.
Beim Anblick der entzückenden chinesischen Brücke mit kleinen fernöstlichen Monsterchen auf den Pfeilern und grünen Löwenköpfen am Tor fühlte ich mich sofort versetzt in das reizende Städtchen Hoi-Anh in der Mitte Vietnams.
http://de.wikipedia.org/wiki/Garten_des_Himmlischen_Friedens
Es war interessant zu beobachten, dass sich auch viele Asiaten im Park tummelten, um beispielsweise rosaregenbenetzte Pfingstrosenblüten zu fotografieren. Der Garten scheint also so authentisch, dass er ihnen ein klein wenig Heimat in Frankfurt ist. Für mich dagegen war die üppige Pflanzen- und Blütenwelt aus der immer wieder ein Teehaus, ein Tempelchen oder ein weiteres Tor herauszuwachsen scheint eine kleine exotische Oase, in der man für einen Nachmittag sein Fernweh stillen kann. Ich nehme mir vor, einmal mit Schreibutensilien und Picknickkorb an einem ganz normalen Werktag herzukommen.
Gestern fand ich beim Herausgehen aus dem Park zufällig ins Café Ypsilon, wo ich schon ungefähr seit zwanzig Jahren nicht mehr gewesen war. Kaffee und Kuchen lockten hinein und es wurde nicht zuviel versprochen. Die Atmosphäre ist angenehm unschick (liebevoll abgenutzte Sitzkissen, halbdunkel, kleine Bilderglerie an der Wand und antike Jugendstillampe an der Decke) und zu meiner Überraschung gibt es hier neben der sehr luftigleckeren Käsesahnetorte auch Wiener Kaffeespezialitäten. Ich bestellte also eine Melange und fühlte mich kurz neben Hoi-Anh auch nach Wien versetzt. Insgesamt ein wunderbar leicht vergessenes Stückchen Frankfurt, das ich bestimmt öfter besuchen werde. http://www.y-buchladen.de/café/
Gestern hatte ich ein sehr schönes Stadterlebnis in der eigenen Stadt und das kam durch den Welttag des Buches. Diesen konnte ich in diesem Jahr sowohl als Zuhörerin wie auch als Vorleserin gestalten. Um kurz vor zwölf kam ich mit den Kollegen der Autorengruppe "Literatur zur Werkzeit" im Buchladen am Markt an http://www.buchladenammarkt.de. Im Schaufenster auf kleiner Empore stand ein schöner weißer Sessel. Er würde eines jeden Leseplatz sein. Die Buchhandlung war Licht durchflutet und bald auch durchflutet auch von einer ansehnlichen Gruppe Lauschwilliger. Nach einem wilden Tripp in der Kalesche mit Katharina Eismann, fernwehschönen Gedichten von Gisela Wölbert, poetischen Frühlingsironien von Johann Kneißl und einem Romanausschnitt von Leo Pinkerton las ich dort den ersten Teil meiner Erzählung "Das Etui". Es gefiel mir, wieder einzutauchen in diese fiktive Zugfahrt, die so gut zum luftiglockeren Vormai passt. Und es folgten uns tatsächlich gespannte Zuhörer Richtung Koffer Roth http://www.koffer-roth.de, wo es weiterging. Diesmal durfte ich zwischen der neusten Sommertaschenkollektion in einem bequemen Fauteuil Platz nehmen. Gefährlich natürlich, wie leicht könnte da die Hand zum Taschenkauf ausrutschen. Zumal wir Damen vom Geschäftsführer persönlich noch mit weißen Rosen gewürdigt wurden. Ich fand es super spannend, der Melodie der eigenen Worte über den Marktplatz zu folgen und durch die Fensterscheibe zu sehen, wie das Gelesene wirkte.
Nach einer mittäglichen Stärkung in der griechischen Taverne am Wilhelmsplatz ging es dann mit einem frischen Text, den noch niemand gehört hatte, in die Frankfurter Straße zum Café Don Pedro. Dort traf ich meine Mitleserinnen Leo Pinkerton und Sylvia Beiser von der Stadtbibliothek . Leo las aus ihrem Romandebüt, Frau Beiser einen Text über den Stadtschreiberpreis. Wir saßen dazu auf einem marokkanisch anmutenden halbrunden Holzbänkchen in fast gleißendem Nachmittagslicht und es war interessant zu sehen, wie auch unbedarfte Passanten ihre Schritte verlangsamten, ein paar Worte im Gehen aufschnappten.
Danach ging ich als Zuhörerin weiter durch die Stadt, deren Straßen bis zum Abend durchflattert wurden von schönen Worten und bevölkert von Buchstabensüchtigen. Zufällig vernahm ich vor der Steinmetz'schen Buchhandlung http://www.steinmetz-buch.de ironisch schöne und zeitweise schmerzvoll dahintropfende Poesie von Safiye Can. Natürlich musste der frisch ausgepackte Gedichtband "Rose & Nachtigall" von ihr in meine Hände übergehen. http://www.groessenwahn-verlag.de
Mit den letzten Sonnenstrahlen traf ich in der Stadtbibliothek ein, wo ich dem sanft spanisch eingetöntem Deutsch von Rosa Ribas folgte und ihren Ausführungen darüber lauschte, warum ihre in Frankfurt spielenden Krimis auch in Spanien erfolgreich seien. Man erhalte durch sie ein kleines messerscharfes Abbild einer anderen Gesellschaft, einer anderen Kultur. Ja, da stimmt wohl, dachte ich und nahm mir den Krimi "Kalter Main" mit, der mich ja vielleicht mit den Gepflogenheiten auf der anderen Mainseite vertrauter machen kann...(das schreibe ich natürlich mit einem klitzekleinen Augenzwinkern...)
Gestern besuchte ich die Eröffnung einer sehr besonderen Fotoausstellung. Allein der Titel "Palermo, Olhao und die geografische Breite" sagte mir noch nicht viel. Jedoch, das Stichwort "Palermo" lockte mich schon, denn Palermo hatte mich im letzten Oktober wieder nachhaltig beeindruckt. Die Farben der Stadt und ihre Muster. Das war mir wieder auf den großen Straßenmärkten aufgefallen, besonders als sich gegen Mittag ein Gewitter entlud und ich und meine beiden Freundinnen im Inneren eines schmucklosen Marktlokales in Ruhe unsere Studien betreiben konnten. Wir saßen buchstäblich hinter den schönen Kulissen der Stadt fest.
Diese kleine Szene aus dem letzten Jahr kam mir schlagartig wieder zu Bewusstsein als ich in den schön marmorierten Flur des Deutschen Wetterdienstes betrat und auf die erste Fotografie der Bildkünstlerin Gabrielle Strijewski. Rot ist der geflickte Himmel aus Planen über den Märkten Palermos. Ein chaotisches Segeldach aus Planen, Schirmen, Seilen, italienischen Wortfetzen, Stangen, Lappen, Gardinen und den typischen Glühbirnen - die am frühen Morgen oder eben bei Gewitter Licht auf die frische Ware werfen. Es sind ganz und gar keine touristischen Motive, die die Fotografin in ihren Aufnahmen beschwört. Es sind die Muster einer Stadt, die im Detail abstrakt wirken, uns an kubistische oder surrealistische Kompositionen erinnern und uns zeigen, wo solche Motive vielleicht herkommen.
Die folgenden Fotos, die im langen Flur wieder nach Palermo führen, zeigen sehr gegensätzlich die hellblau schlagschattige Dächerwelt der portugiesischen Kleinstadt Olhao. Wie Skulpturen werden darauf Schornsteine, Antennen, Vordächer, Satellitenschüsseln und Wassersilos der portugiesischen Dachlandschaften in Szene gesetzt.
Wenn ich aus meinem Bürofenster in der Kaiserstraße über die Dächer Offenbachs blicke, entdecke ich Ähnlichkeiten und empfinde Offenbach einmal mehr als eine sehr südliche Stadt.
Die Ausstellung im DWD öffnet den Blick und lässt das vermeintlich Hässliche heraustreten aus seiner Unscheinbarkeit - es entsteht im Auge des Betrachters das Muster einer Stadt. Unbedingt ansehen. Läuft noch bis zum 11. Mai 2014 http://www.dwd.de/kunst
Gleich um die Ecke des kleinen St. Ulrichplatzes, wo ich wieder mein Quartier in Wien bezogen hatte, auf der Burggasse, gibt es eine moderne Café-Bar, die eigentlich ein Möbelhaus ist oder beides. "Das Möbel" http://dasmoebel.at/cafe/dascafe diente uns am Abend als letzte Haltestelle für einen Absacker und morgens als Reinsacker in einen regnerisch kühlen Museumstag im Belvedere.
Man sitzt dort sehr bequem zwischen Designermöbeln, erdacht und gemacht von Österreichern und Deutschen, kann schwelgen in originellen Farben und Formen, lümmeln in coolen Sofas und kippeln auf eleganten Barhockern, Lampen bewundern, Gin-Tonic trinken oder ein kleines stilvolles Sektfrühstück zu sich nehmen. Unnötig zu sagen, dass es auch Topfenstrudel gibt.
Bei diesen Gelegenheiten taten es mir sogleich ein Couchtisch und sein kleiner Beistellbruder in gelb und rosa an. Beide erinnern auf frische Weise ans Zeitalter der Nierentische. Da kommt kein Wirtschaftswunder-mief auf, sondern eher Leichtigkeit und Eleganz. Fragile Möbel sind das, die sich auch in kleine Wohnungen gut einfügen, sie luftig-leicht bevölkern und gleichzeitig ein wenig Retroromantik aufkommen lassen.
Schade, dass man im Flieger sowas nicht mitnehmen kann. Das fand ich übrigens bei so einigen Dingen. Aber, das nette Team im Ladengeschäft http://dasmoebel.at zum gleichnamigen Café, dass sich auf der shoppingmäßig ziemlich interessant gewordenen Gumpendorfer Straße befindet, verspricht auch da eine Möglichkeit zu finden. Charmant, Küss' d'Hand!
Übrigens fände ich es ebenso charmant, wenn sich Betreiber für eine ähnliche Einrichtung made in Offenbach fänden. Wie vergnüglich und ebenso marktfördernd könnte es sein, wenn wir in einem Offenbacher Kaffeehaus beispielsweise die einzigartigen Möbel von Sebastian Herkner bewundern und bewohnen dürften. Bis es soweit ist, kann man ja in der Geleitsstraße 81 klingeln. http://sebastianherkner.com/index.php?article_id=5