Dienstag, 21. Oktober 2014

Nachklang Frankfurter Buchmesse: Die mutigen Ideen der Indie-Verlage

Bevor die Zeit noch weiter voraneilt und dann schon wieder Weihnachten ist, wollte ich doch noch ein paar Entdeckungen auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse mitteilen. Sehr gerne habe ich mich wieder in Halle 4 aufgehalten, wo sich zu einem großen Teil die unabhängigen kleineren Verlage tummeln und teils mit dem Medium Buch oder Schrift sehr einfallsreich zu Werke gehen. Hier werden auch neue Formate erdacht, die sich vom "herkömmlichen" Buch oder von "üblichen" Themenkreisen wegbewegen. 

Gut gefallen hat mir beispielsweise der Partnerstand vom Hamburger Literaturquickie Verlag http://www.literatur-quickie.de und Michason & May aus Frankfurt http://www.michason.de. Der erste bringt Kurzgeschichten im liebevoll gestalteten Pixie-Buch für Erwachsene heraus. Die praktischen Büchlein passen in jede Handtasche oder unter jedes Kopfkissen und man hat immer was Gescheites zu lesen zur Hand, denn für den Verlag schreiben durchaus namhafte Autoren wie Julie Zeh, Safiye Can oder Katrin Seddig. Wie ich gehört habe, arbeitet der Verlag auch mit Hotels zusammen, die die Büchlein für ihre Übernachtungsgäste auslegen. Sowas wünsche ich mir wirklich weit mehr, als die Bibel in der Nachttischschublade. 


Michason & May betreibt einen Verlag mit Store in Frankfurt Bockenheim. Das gefällt mir auch sehr gut: Dort gibt's quasi Bücher zum Anfassen in unserer unfassbaren Zeit. Ein Bändchen aus der Reihe "City Walking" habe ich sogleich mitgenommen. Mal eine andere Form der Reiseliteratur, die vielleicht nicht neu, aber doch etwas in Vergessenheit geraten ist, seit den 20er Jahren: Aus Erzählungen und Kurzgeschichten formt sich sehr lebendig das Bild einer Stadt, wie zum Beispiel Frankfurt oder Paris. Viel inspirierender als die hundertste Auflage von Sehenswürdigkeiten und Restaurantipps - und ich sehe schon, bald muss ich mal wieder nach Bockenheim. 

Sehr hübsch fand ich auch die "typographischen Erinnerungsschatullen" vom August Dreesbach Verlag aus München.
http://www.augustdreesbachverlag.de/home.html 

In einer Blechdose finden sich Karten mit originellen Fotos von typografischen Eindrücken einer Stadt, wie beispielsweise Wien sowie Bleistift und Radiergummi. Die Minikarten kann man beschriften und verschicken oder sammeln, um sich zu erinnern. 

Und dann wollte ich noch ein großes Kompliment aussprechen an alle unabhängigen Verlage, die sich an noch weniger bekannte Autoren und Debüts trauen und auf ihrem Buchmessestand ein angenehmes und gar nicht unnahbares Ambiente pflegen, wie beispielsweise der Frankfurter Größenwahn-Verlag http://groessenwahn-verlag.de, bei dem ich sehr interessante und angenehme Gespräche geführt habe.

Eine hübscher kleiner Beutezug war das, bei dem ich natürlich auch wieder eine schöne CD von Trikont erworben habe, die sich so rührend immer wieder alter Aufnahmen annehmen und die Titel dem Vergessen entreißen. http://trikont.de/category/uber-uns/




Freitag, 3. Oktober 2014

Vor der Buchmesse: Frischer Lesestoff für langweilige Sonntage

Am letzten Sonntag nahm ich die Gelegenheit war, Silke Scheuermann live zu hören - beim Lesen ihrer gerade erschienen Gedichte "Skizze vom Gras" https://www.schoeffling.de/buecher/neu. Zuerst einmal soll ehrlich gesagt werden, dass Silke Scheuermann in Offenbach lebt und nicht wie im Klappentext des neuen Bändchens geschrieben "bei Frankfurt". Ja, es gibt lebende Autoren in Offenbach, denn diese Stadt bietet Raum und ziemlich viel Anregung, gerade weil hier nicht alles so glattgebügelt ist. Die kleine Matinee bei der Buchhandlung am Markt war ein Novum, das gut funktionierte und ein trefflich leuchtender Anfang für diesen sonnigen Herbstsonntag. Ein kleiner Plan entstand, selbst so eine Matinee zu gestalten, mit der  Gruppe "Autoren unterwegs" im Januar 2015. http://www.buchladenammarkt.de






Silke Scheuermann konnte diesen etwas anderen Sonntag morgen auch genießen und sagte, dass sie früher die Sonntage als sehr ritualisiert und belastend empfand. Ich auch. Da wurde morgens gleich nach dem Frühstück der Rinderbraten angebraten, die von mir gehassten Knödel geformt...ich ging in die Badewanne und kam erst nach dem Essen wieder raus.

Aber nun zu den Gedichten: Ich mag Gedichte und zum Glück bin ich in der Schule nicht allzu lang mit Schillers Glocke oder Goethes Erlkönig gequält worden - jedenfalls musste ich keine Gedichte auswendig lernen. Die Gedichte von Silke Scheuermann sind meist Prosagedichte und eher kleine Geschichten oder Alltagsbeobachtungen, die in einer sehr konzentrierten Form daherkommen. Sie sagte dazu, dass sich die Themen oft ihre eigene Form suchen. Besonders schön, war es, ihre Stimme zu hören, die die eigenen Worte genau richtig in Szene setzt - und ihre Augen zu sehen, die manchmal erwartungsvoll bis schelmisch über den Buchrand ins Publikum blicken. 




Sie beschäftigt sich in dem grasgrünen Bändchen mit der Zeit, der Zeit, die an und Lebewesen nicht spurlos vorübergeht und schon manche Spezies hat aussterben lassen, so wie den Dodo oder den Säbelzahntiger. Aber auch sich selbst beschreibt sie als "Letzte meiner Art" - und bereits der erste Vers dieses Gedichts trifft wie ein Dolch ins Herz: 

"Es tut mir nicht mehr gut.
Die Gewalt hat mich verändert.
Mein Körper ist kalt geworden wie der Zahn einer Löwin;
mein Geist geht meine Möglichkeiten durch.
Wenn du mich anfasst, werde ich mich wehren,
noch bevor du mir Lust machen kannst. (...)"

Solche Zeilen können nicht kalt lassen und das schöne an Lyrik ist, dass sie immer mal so in die Mittagspause oder in die kurze Spanne vor dem Einschlafen passt. Für die etwas längeren Zeitspannen, einen regnerischen Sonntag, lagen da auf dem Büchertisch bei B.A.M. noch andere verlockende Bändchen, zum Beispiel die "Pfaueninsel" von Thomas Hettche - schon allein durch ihren wunderschönen hellgrauen Leineneinband anschaffenswert.http://hettche.de Die Geschichte führt in eine längst vergangene (preußische) Welt der Königin "Luise" und offenbart in dem hübschen Bändchen eine Welt, die nicht von Disziplin, sondern von Inzest und Begierde geprägt ist. "Pfaueninsel" ist nun sogar im Kopf-an-Kopf-Rennen für den Deutschen Buchpreis und ich würde Thomas Hettche den Preis wünschen. 

Ebenfalls weniger beschaulich als der Titel vermuten lassen könnte, kommt auch der Anfang des Romans "Isabel" von Feridun Zaimoglu daher. Da geht es temperamentvoll um das Ende einer Liebe und den Akt des Verlassens. Aber auch dieser Roman spielt in Berlin - und das scheint in diesem Jahr der Lieblingsort der deutschen Autoren. Na ja, die waren halt noch nicht in Offenbach, denke ich mit einem Augenzwinkern, denn Berlin ist natürlich eine richtige aufwühlende Metropole und Offenbach nur ein bisschen Kiez zum Anfassen - hat aber auch seine Geschichten und eine schien sich gerade gegenüber im etwas zwielichtigen "San Carlo" abzuspielen.


Ein Roman, der seit kurzem wieder aufgelegt ist (auch bei Schöffling) und der nicht nur für Wiesbaden, sondern auch für Offenbach eine besondere Bedeutung haben sollte, ist "Theodor Chindler" von Bernard Brentano. Der Autor, der vor dem Zweiten Weltkrieg für die Frankfurter Zeitung in Berlin arbeitete und mit Joseph Roth eng befreundet war, wurde in der Offenbacher Geleitsstraße 109 geboren. Die schöne Neorenaissance-Villa steht heute noch. http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/wiesbaden-liest-theodor-chindler-eine-familie-im-krieg-13105168.html


Zwei gute Gründe also, dieses Buch endlich mal zu lesen.