Mittwoch, 1. Juni 2016

Frankfurt swingt noch - im Café Kante und im Naxoskino

Gestern führte mich ein Dokumentarfilm mit anschließender Podiumsdiskussion im Naxos-Kino an den Merianplatz und in die Kantstraße. Kurzentschlossen lenkte ich meine Schritte ins Café Kante. Hier kleben noch Zettel für Hatha Yoga im Fenster, wie früher in den 80ern, als es in den Yogastudios noch nach Räucherstäbchen duftete. Drinnen ist es angenehm unaufgeregt. Ich beziehe einen kleinen Tisch an der Wand, in Sichtweite der Espressomaschine und schaue mich um. Hier sieht man altmodische Dinge: Eine Frau mit weißem Kragen. Sie hat ein Buch gekauft und ritzt mit dem Fingernagel ungeduldig die Versiegelung auf. Es ist der neue Brunetti-Krimi aus dem Diogenes-Verlag. Wie gerne würde ich ihn für eine Stunde ausleihen, um noch ein wenig in meiner Venedig-Fatamorgana der letzten Reise zu schwelgen. 
Am Tisch neben der Tür sitzt ein in die Jahre gekommenes Liebespärchen, dennoch ein heimliches, wie es scheint. Sie halten verstohlen Händchen. Den Liebhaber kenne ich aus der Nachbarstadt, in der ich wohne. Hier fühlt er sich unbeobachtet. Ich schreibe diskret mit gebeugtem Kopf. Da kommt mein Erdbeerkuchen - ein ordentliches Stück. Der Käsekuchen wurde mir leider vor der Nase weggeschnappt. Aber sei's drum. Der Doppio aus der Rösterei Wissmüller ist lecker und nicht zu stark, die Erdbeeren sind frisch. Draußen schwappt das Leben Richtung Bergerstraße. Hier scheint es still zu stehen - jedenfalls für eine kleine Weile. Das Publikum ist mindestens so alt wie ich.

Wir sind die Letzten, die sowas mögen, scheint es. Draußen sehe ich mit Wohlwollen ins Fenster, in dem sich antike Waagen und Blechdosen ein Stelldichein geben. http://www.cafe-kante.de



Ich muss weiter zur Naxoshalle. Auch dort weht so ein wenig Vergänglichkeit durch den Saal, die eines Frankfurts, das es kaum noch zu geben scheint. 

Dazu passt auch der Film über den Jazztrompeter Carlo Bohländer Carlo, keep swingin', für den ich die Pressearbeit gemacht habe, und den ich mir zum 3. Mal ansehe. Die Protagonisten sind allesamt Jazzgrößen aus den 50ern, 60ern - und das Nachkriegsfrankfurt, mit seinen "Bausünden", die heute Charakter zeigen. Dort, wo sie noch vorhanden sind. Der Film ist sehr bewegend und jedenfalls sehenswert, widmet er sich doch Menschen und einem Stück Zeitgeschichte, das in Vergessenheit zu geraten droht. Der Film war ausverkauft, die Diskussion gut besucht und Daniella Baumeister hat ganz wunderbar moderiert.  
http://carlokeepswingin.okfilm.de/

Doch der Jazz lebt noch, in der Stadt oder wieder. Das betont auch der Betreiber der Musikkneipe Mampf, wo in diesen Tagen junge Leute swingen. Man sollte mal hingehen.http://www.mampf-jazz.de/mampf.html