Donnerstag, 21. März 2013

Im Reich der süßen Sünden

Dass die Wiener Kaffeehauskultur türkische Wurzeln hat, war mir ja schon irgendwie geläufig. Nach meinem wahrscheinlich folgenschweren Besuch in Istanbul hege ich die Vermutung, dass die ganzen süßen Köstlichkeiten, samt Sachertorte auf türkische Traditionen zurückgehen. Und das kam so: Schon kurz nach meiner Ankunft in der Wunderstadt, die Europa mit dem Orient verbindet, fielen mir diese unglaublichen Berge an Naschereien auf. Aber nicht nur Baklava wie man es inzwischen auch hier kennt und seine unzähligen Artverwandten - mit poetischen Namen wie Finger des Wesirs, Engelshaar oder Nachtigallennester. Neben dem Blätterteiggebäck sahen meine Äuglein noch jede Menge türkischen Honig beispielsweise in rot mit Granatapfel- oder Rosensirup und schließlich unglaublich prächtige Torten aus verschiedenfarbigen Buttercremes. 


Zunächst betrachteten ich und mein Begleiter all dieses Zuckerzeug noch ungläubig. Nach dem sehr schönen, aber auch energieraubenden Besuch des Topkapi-Palastes war es dann soweit. Inzwischen hatte ich es mir zur lieben Gewohnheit gemacht, mittags einen türkischen Mokka nebst 2 Baklavas zu bestellen. Und so fiel mir auf unserem Weg ein Schaufenster auf, in dem besonders schöne Exemplare davon aufgeschichtet waren, auf. Wir begaben uns also ein paar Stufen hinunter, in das süße Reich - und wurden belohnt. Denn, wie wir schnell mitbekamen, waren wir ganz zufällig in der ziemlich bekannten und ehrwürdigen Confiserie Hafiz Mustafa http://www.hafizmustafa.com/gelandet. Um überhaupt in die eigentlichen und sehr schönen Räume des Cafés zu gelangen, muss man an all diesen teuflischen Verführungen vorbei - und das kann natürlich nicht folgenlos bleiben. 

Als Speisekarte dient ein etwa hundertseitiger Katalog mit schönen Abbildungen - und schwupps hatte ich ein paar Baklava in pistaziengrün vor mir stehen. Meinen Begleiter überredete ich zu einer Profitérol-Torte. Beides war sehr köstlich und wir mussten einige Genuss-Pausen einlegen, die das Café aber auch verdient. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie man einen regnerischen Nachmittag in dieser Umgebung verbringen kann, die orientalische Tradition und westliche Moderne auch in der Einrichtung, die hier viel zu kurz kommen muss, aufs Angenehmste miteinander verbindet.




Nun ich denke, die Bilder sagen alles und das Abendessen musste an diesem Tag ausfallen. 



Dienstag, 5. März 2013

Ein goldener Hahn und frische Canoli

Dieses Blau hatte es geschafft, dass ich von meinem Weg abwich, von meinem üblichen Weg durch die Marien- und Kaiserstraße. Das Blau schimmerte unter der Bahnunterführung durch und ließ das graue Gemäuer strahlen. Warum nicht mal durchs Westend morgens streifen, dachte ich mir. Mal sehen, wie weit die Magnolien sind. Die Tulpenhofstraße hinunter Richtung Geleitsstraße. Wie prächtig die verschnörkelten Dachgesimse leuchteten! Und da, was war das auf dem Turm der Friedenskirche? Eine goldene Figur schimmerte mir da entgegen, die ich noch nie so recht wahrgenommen hatte. Tatsächlich ein Hahn. Aber nicht so ein normaler. Ein schöner Jugendstilhahn mit elegant geschwungenem Federschweif. 




Der zweigeschossige Bau der Friedenskirche wurde 1911 von dem Darmstädter Baumeister Professor Friedrich Pützer entworfen und fügt sich besonders schön in die Villen-Wohnumgebung im Offenbacher Westend ein. 1943 schwer beschädigt wurde sie erst 1952 unter der Leitung der Architekten Collin und Reichard wieder aufgebaut. Heute ist sie der harmonische Mittelpunkt des Westends und mein Richtungsweiser auf dem Weg hinunter in die Stadt. 

Ich ließ den goldglitzernden Hahn hinter mir und lief die Geleitsstraße hinunter, vorbei an schönen Häusern und einer Zweigstelle der HfG in einem roten Klinkerbau. Da erspähte ich hinter einem Zaun noch so ein Relikt aus vergangenen Tagen. Ein dreiteiliges Schild der "Kaiser Friedrich Quelle". Jemand hat es da im Hof aufgestellt. Eigentlich gehört es ins "Haus der Stadtgeschichte".



An der Ecke Luisenstraße fiel mir die kleine Pasticceria neben dem Kolpinghaus ein. http://pasticceria-orchidea.de/ Die war auf jeden Fall noch einen Abstecher wert. Und tatsächlich, sie hatte schon geöffnet. Einige Männer tranken Espresso und am laufenden Meter wurden kleine gebackene Kunstwerke aus der Küche zur Glastheke gebracht. Also wirklich, das ist gemein, mitten in der Fastenzeit! 


Ich musste so ein offenbacherisch-sizilianisches Canoli versuchen - und einen Espresso Lungho dazu. Der Umweg hat sich gelohnt - und glücklicherweise gibt es hier einen Schnell-Durchschlupf zu meinem Büro.