Jetzt ist es offiziell: Offenbach ist eine Literaturstadt! Vielen Dank dafür, Frank Witzel. Und zwar auch noch eine schwergewichtige. Denn der Roman mit dem langen Titel "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" (kurz: Die Erfindung) ist auch noch sehr dick. Deshalb habe ich bei der Buchhandlung am Markt (kurz: BAM - mit einem wunderschön dekorierten Fenster zur Buchmesse übrigens) erstmal vorsichtig die ersten Seiten gelesen. Und was soll ich sagen? Weiterlesen wollte ich, denn das ist ein Buch über meine Zeit. Tja, leider, leider muss ich das sagen, denn diese Zeit scheint ganz schön lange her - und vielleicht deshalb beinahe exotisch fremd. Damals, als man Bücher noch lesen musste, um zu wissen, was drinsteht. Also, ich werde mir "Die Erfindung" als Weihnachtsgeschenk kaufen und mich über die Feiertage damit zurückbeamen in diese Zeit, zu der ich gerade eingeschult wurde.
Bis dahin, zu den ersehnten Feiertagen, lese ich in einem Roman des Gastlandes Indonesien "Alle Farben rot" dem ich schon allein des Titels und des schönen purpurnen Einbands wegen nicht widerstehen konnte. Zumal die Farbe Purpur in meinem bevorstehenden Roman auch eine Rolle spielt. Indonesien hat ja bei uns so einen Anstrich von Bali-Romantik. Damit ist jetzt Schluss, denn die Bücher der indonesischen Autoren oder Autorinnen sind alles Andere als romantisch. Die Damen nehmen kein Blatt vor den Mund und decken realistisch die gesellschaftlichen Missstände im Inselstaat auf. Den Roman von Laksmi Pamuntjak jedenfalls kann ich gar nicht so schnell lesen, wie ich gern möchte. Er ist ungeheuer spannend und schön geschrieben zugleich. Aber ich bin mit meinem langsamem Lesefluss voll im Trend: Der nennt sich Slow Reading - analog zu Slow Food etc. Mir ist es leider nicht gegeben mit den Augen und den Sinnen diagonal quer über die Seiten eines fetten Wälzers zu fliegen und ihn in drei Tagen durchzuhaben. Aber das braucht man jetzt scheinbar auch gar nicht mehr. Im Zeitalter von E-Books ist es angesagt, bedruckte Seiten liebevoll mit den Augen zu streicheln und sich jedes Wort auf der Zunge zergehen zu lassen - wie schön. Das werde ich auch heute Abend beim Vorlesen machen.
Denn ich weihe heute Abend mit den Co-Autoren der Gruppe "Autoren unterwegs" die meteorologische Bibliothek im Deutschen Wetterdienst als literarischen Ort ein. Darauf bin ich schon sehr gespannt. Und vielleicht sollte ich doch so langsam einen literarischen Salon eröffnen, denn wie ich erfahren habe, ist meine Wohnstraße scheinbar die Hauptstraße der Literatur. Hier wohnt nicht nur Frank Witzel sondern auch noch Silke Scheuermann. Und ein paar Straßen weiter wohnt Safiye Can, deren zweiten Gedichtband "Diese Haltestelle habe ich mir gemacht" auch noch auf meiner Leseliste steht.
Es ist schon schön, in einer Literaturstadt zu leben - das fanden Sophie von La Roche und Bettina von Arnim schließlich auch - war die letztere es doch, die Offenbach einst "das zierlichste und reinste Städtchen" nannte. Na ja, das hat sich vielleicht geändert, aber sonst...