Samstag, 25. Januar 2014

Griechischer Bergtee und polnische Himbeertorte

In den letzten Wochen führt mich mein Weg häufiger von der Kaiserstraße in die Domstraße. Kurz bevor man die Berliner überquert, liegt links die Bahnhofsstraße. Sie schein hinter einem Parkdeck in Vergessenheit geraten, obwohl von teils schönen alten Häusern gesäumt, führt sie hier ein Dasein im Verborgenen. 

Einst war ich häufiger hier. Aber das ist eine halbe Ewigkeit her. Damals ging man noch "jugoslawisch" essen im hier gelegenen "Dubrovnik". Es war die Zeit der Grillteller und des "lustigen Bosniaken" (so wurde ein Fleischspieß auf der Karte des Restaurants genannt). So eine Bezeichnung würde nach dem Lauf der Geschichte Befremden bei den Gästen hervorrufen. 

Heute zwingt mich ein kleines Schaufester etwas weiter vorn zum Stehenbleiben. Da sind sie wieder: Die Barbiepuppen- und Fußballtorten. Solche hatte ich vor ein paar Jahren in der Geleitsstraße bewundert. Damals in einem türkischen Café. Hier, in der Bahnhofstraße, finden sich an der linken Fensterscheibe ein paar griechische Schriftzeichen, an den Auslagen polnische Bezeichnungen und auch der Name über dem Eingang "Café Saumon" verrät mir die Herkunft nicht so recht. Eine Türkin Frau mit Kinderwagen, die mich darum bittet kurz auf ihren Sprössling aufzupassen, verrät mir, dass es hier die besten Kreppel gebe. Ich unterhalte mich mit ihr über Cafés und sie lobt das neue "Mein Lieblingsplatz" in der Frankfurter Straße und die "Etagerie" https://www.facebook.com/Etagerie. Beides sehr liebevoll eingerichtete und geführte Institutionen. Wir verabschieden uns und ich betrete das Café "Saumon". http://www.cafe-saumon.de/




Der Anblick der Kuchentheke lässt mein Herz höher schlagen: Da stehen Käsekuchen, Himbeer- und Bananen-Schoko-Torte auf der rechten Seite. Links gibt es viel selbstgefertigtes Gebäck. Die meisten Bezeichnungen erscheinen mir polnisch. Aber die Inneneinrichtung wirkt mit den bunten Holzmöbeln und weißen Tischdecken, eher mediterran, erinnert mich an ein Café in Istanbul. Ich nehme auf einem der grünen Holzbänkchen, die liebevoll mit weißen Deckchen ausgelegt sind, Platz. 
Eine gerade noch junge, schlanke, hellblonde Frau kommt auf mich zu. Sie zählt mir Teesorten auf, darunter auch Bergtee, für den ich mich entscheide. Er kommt in einem kleinen blau emaillierten Kännchen, was ich sehr nett finde im Gegensatz zu manchmal halbvollen Teegläsern, die man anderswo bekommt.




Ich sehe mir die Torten an, wähle "Malinowe Fale" (Himbeer-Schoko) und frage die blonde Frau, wie es kommt, dass sie griechische und polnische Spezialitäten in Kombination anbieten. Sie erklärt, der frühere Betreiber des Café sei Grieche gewesen. Einige Gebäckstücke und der Bergtee waren sehr beliebt. "So haben wir neben den polnischen Torten Bergtee und Baklava beibehalten". 

Ich schreibe ein paar Zeilen in mein Notizbuch. Inzwischen herrscht reger Verkehr in der kleinen Konditorei. Ein DHL-Mann türkischer Herkunft kommt herein, liefert sein Paket ab und kauft drei Stücke Bananenkuchen mit Vanille-Pudding und Schokoguss. Er gibt die Klinke zwei jungen Damen in die Hand. Zurechtgemacht und duftend stehen sie vor der Theke. In ihrem Dialog erkenne ich serbokroatische Worte. Sie fragen nach einer Kindertorte für den Geburtstag eines zweijährigen Mädchens. Erstmals kommt der junge Konditor aus der Backstube hervor. Er zeigt einen Schokokuchen, bietet freundlich an, ihn mit rosa Zuckerschrift, Püppchen und Kerzen für das Mädchen zu verzieren. Die Lösung gefällt, der Kuchen wird verwandelt, die Damen verlassen gut gelaunt die Konditorei. Ein Deutscher kommt herein und nimmt einen Quarkkuchen mit Kirschen mit. Draußen kläfft hell sein Hündchen. Der Bergtee schmeckt herrlich. Die zarte Himbeer-Schoko-Torte ist schon weg und ich muss zurück ins Büro. 

Draußen blicke ich nochmals am Eingang hoch und entdecke rechts davon ein schwarzes Blechschild. Es scheint alt zu sein und ein Schriftzug ist noch gut zu erkennen: "W. Gölz 1902-1962". Den Namen kenne ich gut. Mein Vater hat mir oft vom Bäcker Gölz erzählt, und dass er in der Bahnhofstraße seine Ausbildung zum Konditor gemacht hat. Papa hat dann später ins Kaufmännische gewechselt, denn mit Konditoreiwaren war es beschwerlich sein Geld zu verdienen. 

Und gerade deshalb freut es mich sehr, dass sich in diesem kleinen Laden in der Bahnhofstraße immer noch eine Konditorei befindet, mit offenbar regem Zulauf.