Gestern kam alles anders: Morgens wachte ich auf, weil mein iPhone nicht klingelte. Es zeigte stoisch ein schwarzes Display und blieb stumm. Selbst nachdem ich alle Tasten mehrmals langanhaltend oder kurz, einzeln und zusammen gedrückt hatte. Es half alles nichts. Und das an einem Tag, an dem fast ausschließlich Außentermine in Frankfurt anstanden. Was also tun, wenn die Technik versagt?
In so einem Fall können altmodische Nachbarschaften helfen, dachte ich mir, machte mich ausgehfertig und lief hinüber in den Starkenburgring 79. Vom Abend vorher wusste ich, dass Marina auf den Markt wollte, um Zutaten für ein neues Chutney der Marke Genusswolke einzukaufen. Ganz in der Nähe gibt es auch einen Laden für die Techno-Variante des Apfels, wo ich mit meinem ledierten iPhone Hilfe suchen wollte.
Wenig später liefen wir die Darmstädter runter Richtung Markt. Noch war es bewölkt und nicht klar, dass es ein heißer Tag werden würde. Auf der Bismarckstraße zeigte ich Marina eines meiner Lieblingshäuser - die Nummer 123, direkt neben dem alten jüdischen Friedhof. Das große Eckhaus von Architekt Max Schroeder aus dem Jahr 1904 leuchtet gerade frisch sandgestrahlt in hellem Ocker. Es war einst das Wohn- und Geschäftshaus des Lederwarenfabrikanten Friedrich Leißler und enthält wunderschöne Fassadendetails wie ein kleines geflügeltes Meermädchen.
Wir ließen es links liegen und liefen die Mittelseestraße runter, in der sich einer der ältesten Offenbacher Bioläden, namens Holunder, befindet. An der Bleichstraße bogen wir rechts ab und näherten uns dem Markt von hinten. Dort herrschte verhaltenes Treiben, wie meist an den Dienstagen, so dass wir uns die schönen Waren in Ruhe ansehen konnten - und das ist im Moment eine Freude: Mirabellen, Reineclauden, Pfirsiche, Heidelbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren - und natürlich Tomaten in allen Farben und Formen. Marina kaufte rote Beete und frischen Meerrettich, ich Heidelbeeren, Tomaten und ein Makrönchen beim Bäcker.
Mit dieser Beute zogen wir in ein Café vor dem Aliceplatz, tranken Espresso und naschten aus unseren Tüten. Hier beobachteten wir eine vietnamesische Familie, die ihren Sprössling mit sehr schmaler Schultüte zur Einschulung begleitete. Der Papa schulterte noch das Ränzlein. So überbrückten wir die Zeit zu den Ladenöffnungszeiten und wanderten dann in Richtung Geleitsstraße, in der sich ein Apple-Lizenz-Store befindet. Dort konnte meinem iPhone, dass noch aus einer frühen Generation stammt, tatsächlich geholfen werden.
Frohgemut traten wir den Rückweg an, der uns durch die Hospitalstraße führte. Gegenüber dem Pianohaus Guckel entdeckten wir mitten auf dem Trottoir eine Maus, die keine Anstalten machte zu verschwinden. Bei näherem Hinsehen fragten wir uns, ob es sich bei dem Tierchen wirklich um eine Maus handelte oder nicht vielleicht um ein kleines Rättchen.
Jedenfalls war diese kleine Tour durch die morgendliche Stadt ein schöner Tagesbeginn, der mir genug Schwung für den Rest mitgab.