Vielleicht sollte man mal eine Menschenkette von Offenbach über Oberrad und den Mühlberg bis nach Sachsenhausen, dann rüber über den Eisernen Steg bis auf den Römer stellen. Genug Leute müssten's ja sein. Wäre einen Versuch wert.
Letzte Woche jedenfalls hatte ich Glück: Das Wetter war blau und kein Flieger zu sehen. Ich wanderte von der Straßenbahnhaltestelle mit dem amüsanten Namen "Lettigkautweg" aufwärts in Richtung dieses erstaunlich hohen alten Schulgebäudes zur Steinhausenstraße. Schon früh fiel mir ein neues weißes Schild auf, das den Weg zum sogenannten "Willemer Häuschen" wies. Von diesem Häuschen hatte ich schon gehört, es aber noch nie gesehen. Ich beschloss auf meinem Rückweg einen kleinen Abstecher zu machen.
Eine Stunde später folgte ich dem Schild den Hühnerweg entlang, an dem sehr schöne idyllische Häuser stehen und weiter hinten alter Baumbestand. Inzwischen hieß dieser Abschnitt Goehte-Wanderweg. Hier oben hatte er sich des öfteren herumgetrieben und war vielleicht auch hinüber nach Offenbach gelaufen, zu seiner kleinen Lili. Aber nicht mehr als das "Willemer Häuschen" ins Spiel kam. Da war Lili längst abgemeldet. Mit diesem kleinen Häuschen, verband der Dichter aber auch so eine pikante Geschichte. Hatem und Suleika...ich hatte da noch sowas im Kopf, was mich immer weiter den Hühnerweg hinauf lockte.
Ich wollte schon fast schon aufgeben, weil kein Hinweis mehr kam, als ich Schieferziegel durch die Bäume schimmern sah, in der Art, wie sie auch alte Mansardendächer in Offenbach zieren. Und tatsächlich, da war es: Ein entzückendes turmartiges kleines Bauwerk in einem kleinen Garten am Waldrand.
In diesem verschwiegenen Schlupfwinkel hatte Goethe Marianne von Willemer getroffen - und sie hatten bestimmt nicht geschwiegen dort drinnen. Über was mochten die beiden wohl gesprochen haben? Da wäre ich gerne ein Mäuschen gewesen.
Jedenfalls heute darf man das Häuschen an Sonntagen besichtigen - und ich beschließe, das einmal zu tun, mit dem Auszügen aus dem "Westöstlichen Diwan" im Gepäck.